Gamechanger Energiezukunft

Die Energiewende bringt grundlegende Veränderungen für die Finanzierung von privaten Haushalten, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen. Für Banken eröffnen sich neue Potentiale. Bestehende Risiken im „alten“ System werden immer klarer sichtbar.
Die Perspektive
Wenn die Stromproduktion in Österreich von 67.000 GWh zu 72 % aus erneuerbaren Quellen gedeckt wird, hört sich das zuerst einmal gut an. Betrachtet man den gesamten inländischen Energieverbrauch von 376.000 GWh1) pro Jahr, so beträgt der Anteil der Erneuerbaren bescheidene 15 %. Mehr als 60 % der in Österreich benötigten Energie wird importiert. Nur 3 % davon kommen aus erneuerbaren Quellen.
Die aus verschiedensten Ursachen dramatisch gestiegenen Energiepreise führen uns vor Augen, welch’ grundlegende Veränderungen auf private Budgets, Geschäftsmodelle und öffentliche Haushalte zukommen. Sie sind „nur“ Vorboten von veränderten Rahmenbedingungen, die wir zum Stopp der Klimaerwärmung selbst setzen müssen z. B. CO2 Bepreisung und der Gewissheit, dass die Vorräte an fossilen Energieträgern in absehbarer Zeit zu Ende gehen.
Die Dekarbonisierung bedingt eine radikale Transformation unserer Lebens- und Arbeitswelten. Der Investitions- und Finanzierungsbedarf für diesen Wandel wir immer mehr greifbar.
Größenordnungen und Herausforderungen
Das Ziel, die Stromproduktion in Österreich bis 2030 zu 100 % aus Erneuerbaren zu decken und neue Kapazitäten für 27.000 GWh grünen Strom zu schaffen, ist nur ein erster relativ kleiner Schritt. An zusätzlichen Produktionsanlagen für Wind-, Wasser- und Sonnenstrom bzw. Biomasse & Co. bedarf es danach noch wesentlich mehr. Investitionen in die Entwicklung und den Bau von Speicheranlagen sind zusätzlich zu berücksichtigen. Der dezentrale Aufbau der Energiemärkte von morgen sieht grundsätzlich anders aus und verursacht einen erheblichen Ausbau Verteilernetze.
Die E-Mobilität bzw. die Umstellung des Transportes sind weitere Faktoren. Knapp mehr als 80 % des Öl-Bedarfs von umgerechnet 107.000 GWh sind in Österreich auf den Verkehr zurückzuführen. Der Ausstieg aus fossilen Antriebssystemen verursacht einen gänzlichen Tausch von Fahrzeugen und Zugmaschinen im Güter- und Personenverkehr. Für den großflächigen Ersatz von Öl ist Wasserstoff wahrscheinlich nicht geeignet. Er benötigt das dreifache Volumen für die Speicherung und den Transport wie herkömmliche Treibstoffe.
Immobilien stehen für 40 % unseres Energieverbrauchs also rd. 150.000 GWh. Energieeffizienteres Wohnen und Arbeiten stellen somit einen enormen Hebel zur Reduktion des Energieverbrauches dar. Die Sanierungsquote von Bestandsgebäuden sollte von derzeit unter 1 % auf zumindest 3 % steigen, um einen andauernden CO2 = Energie-Einsparungseffekt zu erzielen. Der nachhaltige Neubau ist wichtig, vom Volumen im Vergleich zu Bestand aber viel zu klein und ändert deshalb wenig an der unmittelbaren CO2-Bilanz.
Die meisten Verarbeitungs- und Produktionsprozesse haben bisher von günstiger Energie aus Gas „profitiert“. Der produzierende Sektor beansprucht in Österreich 55 % des Erdgasbedarfs oder 32.000 GWh. Für den Industriestandort und die damit verbundenen Arbeitsplätze ist die „richtige“ Dekarbonisierung von existentieller Bedeutung.
Private Haushalte stehen für 33 % oder 19.000 GWh des Erdgasverbrauchs. Sie befeuern damit ihre Heiz- und Warmwassersysteme oder beziehen es indirekt über die Fernwärmeanbieter.
Handlungsoptionen – Wer hat was zu tun?
Der Ausbau der Erneuerbaren Energieträger ist keineswegs „nur“ eine Angelegenheit der großen Energieversorger. Erneuerbare Energien sind dezentral und profitieren von regional verteilten und diversifizierten Erzeugungs- und Speicherkapazitäten. Private, Unternehmen und Gemeinden haben die Möglichkeit aktiver Teil des Energiesystems der Zukunft zu werden. Das bestehende „kopflastige“ Produktions- und Verteilsystem ist für Erneuerbare nicht geeignet (Blackout Risiko!) und muss auf „breitere Beine“ gestellt werden.
Für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen wird die Nutzung energieeffizienter Gebäude zum wesentlichen Bestandteil ihrer Geschäftsmodelle bzw. des verantwortungsbewussten Umgangs mit den ihnen anvertrauten Geldern. Kostengünstige Strom- bzw. Wärmeversorgung werden zur fundamentalen Standortfrage. Die Umstellung der Fahrzeugflotten und deren energieeffizienter Betrieb stellt eine wesentliche Größe ihrer Wirtschaftlichkeitsrechnungen dar.
Private Haus- und Wohnungseigentümer, gemeinnützige Immobiliengesellschaften und gewerbliche Vermieter stehen vor der Herausforderung, die Energiekosten ihrer Gebäude zu reduzieren. Investitionen in neue Heiz-, Warmwasser- und Kühlsysteme bzw. die Dämmung der Außenhüllen senken die Ausgaben für die Nutzung, verringern die Leerstandskosten bei der Weitervermietung und stützen den Werterhalt ihrer Immobilien.
Durch die Nutzung von Dach- und Freiflächen können mit PV-Anlagen bzw. Batteriespeichern (E-Mobile) die Energiekosten weiter reduziert bzw. zusätzliche Erträge erwirtschaftet werden.
Wahrscheinlich stehen die Industrie bzw. das produzierende Gewerbe vor der größten Herausforderung. Die Hoffnung ruht auf grünem Wasserstoff. Zusätzliche Flächen für PV- und Windkraftanlagen für die Stromerzeugung zur Elektrolyse sind im Inland aber nur begrenzt vorhanden. Der Import sorgt für neue Abhängigkeiten. Die sonnenreichsten Länder, die Wasserstoff wesentlich günstiger produzieren können, werden zum großen Teil von autoritären Regimen regiert. Somit ist das die wahrscheinlichste aber wenig attraktive Alternative.
Die FREIBANKER Perspektive zur Rolle der Banken
Dass der Weg in die Energiezukunft riesige Investitions- und Finanzierungsvolumina nach sich zieht, ist klar. Unseren Annahmen zufolge kommt die Größenordnung derer der Immobilienfinanzierung der letzten Jahre sehr nahe.
Natürlich sind noch einige gesetzliche bzw. regulatorische Rahmenbedingungen zu setzen. Sie sollte aber nicht als Ausrede dienen. Um Dynamik in den Markt zu bringen, können Banken eine wesentlich aktivere Rolle einnehmen.
Private, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen haben neben den „technischen“ Herausforderungen der Energiewende eine Vielzahl ökonomischer Entscheidungen zu treffen. Banken haben die Möglichkeit ihre Kunden genau dabei zu unterstützen. Ihre Expertise bei der Entwicklung und der Anpassung von „energiezukunftsfitten“ Haushalts- und Businessplänen liefert konkreten Mehrwert.
Dazu müssen Banken keine Energieexperten werden. Das Verständnis, wie die Energiezukunft aussieht und zu welchen Veränderungen sie führen wird, ist alleine schon aus risikopolitischer Perspektive jedenfalls notwendig.
FREIBANKER @ Bankgasse Veranstaltung am 9.11. | 18.00
Wir wollen das Zielbild „Zeitenwende Energiezukunft“ noch konkreter zeichnen und würden uns freuen, Sie dabei begrüßen zu dürfen.
Zu weiteren Informationen und zur Anmeldung.
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