Freibanker Talblick Berge

Alpbach Forum #efa21 – folgende Punkte habe ich aus dem heurigen Forum mitgenommen:

  1. Die Kapitalmärkte sind schon ins Grüne gekippt – und er wird mehr denn je gebraucht.
  2. Wir müssen mehr Risiko nehmen. Innovation hat keine Sicherheiten.
  3. Die Politik versteht und handelt, agiert aber noch in bürokratischen Mustern.
  4. Das Banking der Zukunft entwickeln sich vom Kunden aus.
  5. Konkretes Tun zählt – Strategie und Werte sind wichtig, aber zu wenig. Und die Zeit drängt gewaltig.

1. Die Kapitalmärkte sind schon ins Grüne gekippt – und werden mehr denn je gebraucht

Stellen Sie sich vor, sie würden jetzt die Finanzierung eines kalorischen Kraftwerks durch Ihr Institut vorantreiben. Das wird schwierig. Was bis vor kurzem noch ein stabiler Business Case war und auch nach allen regulatorischen Bedingungen als ein No-Brainer durch Kredit- oder Investment Komitees durchgewunken worden wäre, steht nun auf einmal im Abseits.

Hätten vor einem Jahr noch Rendite, Stabilität und günstige Kapitalunterlegung den Ausschlag gegeben, wird sich heute jeder Entscheidungsträger davor hüten, etwas auf die Bücher zu nehmen, von dem er fürchten muss, dass es in wenigen Jahren oder sogar Monaten ein No Go sein könnte…

Daher bin ich noch mehr davon überzeugt, was mir als spontaner Eindruck beim Lesen eines Zeit-Interviews mit dem CRO von Swiss Re im Frühjahr schon in den Kopf kam: Die Kapital- und Finanzmärkte haben den grünen Tipping Point bereits überschritten!

Die Eröffnungspanels in Alpbach haben das mehr als bestätigt. Der enorme Finanzierungsbedarf der grünen Transformation braucht einen breiten und tiefen Kapitalmarkt. Darin waren sich Axel Weber, Mareid McGuinness, Andreas Treichl, Thomas Wieser oder Herbert Diess mehr als einig. Axel Weber forderte sogar so etwas wie einen 1863er Moment: da wurde durch den banking act in den Vereinigten Staaten die Grundlage des heutigen starken amerikanischen Kapitalmarktes gelegt. So etwas bräuchten wir heute auch für Europe. Einen starken grünen Kapitalmarkt. Eine überregionale Lösung für eine globale Herausforderung. (Große Worte, denen leider noch etwas die Konkretisierung fehlt, s.u.)

Wieso das der Kreditmarkt das nur zum Teil finanzieren kann, veranschaulichte Andreas Treichl und Maria Demertzis treffend:

Europa hatte nie einen starken Kapitalmarkt und trotzdem waren wir in den meisten Bereichen bzw. Branchen führend voran. Wieso brauchen wir ihn dann jetzt?

Banken haben durch Kreditfinanzierung oft fehlendes Eigenkapital ersetzt. Für dieses Risiko bekamen sie entsprechende Sicherheiten in Form von Produktionsanlagen oder Immobilien. Und die starke Industrie konnte viele Investitionen und Innovationen aus dem eigenen Cashflow heraus finanzieren.

Europ. Unternehmen hatten genügend Sicherheiten zu bieten, aber Innovationen haben das nicht. Und gegen Sicherheit Geld zu verleihen ist kein ertragreiches Geschäft mehr. “You can not make money anymore by investing into corporates and governments.” (Treichl). Daher die zweite Erkenntnis aus Alpbach:

2. Wir müssen (wieder) mehr Risiko nehmen. Innovation hat keine Sicherheiten

Herbert Diess, CEO von Volkswagen und Martin Klässner CEO und Gründer von has.to.be fordern einen neuen Blick auf Risiko in Europa.

Innovationen brauchen zwar immer weniger Kapital, aber doch immer mehr Risiko und Risikobereitschaft – dafür müssen wir den kulturellen Rahmen fördern. „We don’t like risks in Europe“ (Diess), „acht der zehn reichsten Amerikaner sind Gründer, in Deutschland sind das Erben!“

Innovation hat keine Sicherheit. UND: Innovation beginnt meist klein. Daher denke ich: der Kapitalmarkt in bestehender Form reicht nicht aus. Es braucht da einerseits neue Lösungen auch kleine Initiativen und Unternehmen in allen Formen zu finanzieren und andererseits wieder die Bereitschaft der Banken Risiko zu nehmen – auch wenn ihnen der Regulator und die Politik das seit der Finanzkrise abgewöhnt haben.

Am Kapitalmarkt gibt es und entwickeln sich entsprechende Angebote – aber vor allem für die Großen oder in den bestehen Ansätzen von Venture Capital. In den Debatten wurde für mich sichtbar: was fehlt ist eine Brücke von „groß strukturierten“ Finanzmärkten zu den kleinen Innovationen und der Finanzierung von ganz konkreten, oft kleinteiligen Investitionen. Geld ist da und billig, aber wie kommt es dorthin, wo es gebraucht würde, den nächsten kleinen, aber wichtigen ESG-Schritt zu tun?

3. Die Politik hört zu und handelt, agiert aber noch in bürokratischen Mustern

“I do admit, we have created a bureaucratic monster…” gesteht Mareid McGuinness, EU-Kommissarin für Finanzmarktstabilität ein, “but you have to be aware, how deep this mistrust in banks and financial institutions was after the financial crises. We have and had to get the people less angry about it.”

Solche Aussagen fielen in einem außergewöhnlichen Workshop mit der EU-Kommissarin, einem der größten Europäischen Investoren und einem kleinen Kreis von vielleicht 25 bunt gemischten Teilnehmern. Ein echter Alpbach Moment. Wofür sich Frau McGuinness eine Stunde Zeit nehmen wollte, dauerte fast drei. Sie hörte genau zu, schrieb 5 Seiten mit und suchte den Dialog zu den kritischen Themen. Abseits bekannter Details zeigte sich für mich dabei klar:

  • die ehrliche Entschlossenheit der EU-Kommission die grüne Transformation zu treiben
  • der fundamentale Ansatz das über Transparenzregelungen wie die Taxonomie u.a. zu tun und über Kapitalmärkte zu arbeiten
  • das Einsehen, dass man an den Leitsystemen der Finanzwirtschaft arbeiten muss und dass die vorherrschende Regulatorik das nicht fördert, aber auch noch das Festhalten an diesen Denkmustern

Zum Thema des Workshops, die Mobilisierung der Finanzströme für die grüne Transformation, bot Daniel Sachs, Founder and Chair, Daniel Sachs Foundation einem der größten Private Capital Investoren Nordeuropas, eine interessante Perspektive: Auf lange Sicht ist es auch für Investoren besser nachhaltige Ziele zu verfolgen: „It is a shift of time perspective – from short term-oriented profit to an overall long-term view. Seen over many years and taken all upcoming costs in consideration the yield of sustainability is even better. So there is no contradiction of business and ESG-goals.”

Das führte uns zu einer längeren Diskussion, was Finanzinstitutionen derzeit antreibt und wie sehr die kurzfristige Gewinnorientierung auch in den Methoden der Regulatorik ihren Niederschlag gefunden hat. Es braucht eine neue, auf Langfristigkeit orientierte Steuerung.

Und dann stand natürlich die Frage im Raum: “Who has the Power of shifting the perception? Pension Funds. Politics etc.”

In einem anderen Panel forderte Gregor Demblin, für Social Impact eine Maßzahl einzuführen. Aus der Intention, dass diese Messbarkeit dann auch einen Wert ausdrückt und Handlungen in die Richtung fordert: “we have to give Impact a value, otherwise it doesn’t count”

Gute Idee, aber um mit Daniel Sachs zu antworten: “the risk in trying to measure things is, that you create a lot of externalities…”

Die Grüne Transformation ist einer der zentralen Treiber für die Entwicklung des Bankings. Wie entscheidend ist Technologie oder die Konkurrenz von Fintechs dafür? Klare Antwort:

4. Die Zukunft des Banking wird vom Kunden entschieden

Dieser Satz wirkt vielleicht wie eine Plattitude, aber es ist nun mal nicht die Technologie der entscheidende Faktor, sondern der „use case“ oder der Mehrwert, der sich für Kunden daraus ableiten lassen wird und den der Kunde und die Kundin auch in Anspruch nehmen werden.

Ein klarer, wohltuender Standpunkt, den Gerda Holzinger-Burgstaller in der Diskussion zur Zukunft des Bankings einnahm – das restliche Panel verlor sich in den möglichen Verheißungen der Block-chain ohne auf einen Punkt zu kommen. „Es geht nicht um die Technologie selbst, sondern darum use cases für diese Technologien zu schaffen.“  Und „in welcher Zukunft, möchten wir als Bank einen Beitrag leisten?“

Auch Thomas Schauffler machte das in der Diskussion „Future of Payments“ deutlich: „Bezahlen interessiert niemanden. Die einfachste, bequemste Form der Bezahlung wird sich durchsetzen!“

Auf den Versuch der Notenbanken mit der European Payment Initiative verlorenes Terrain auf die amerikanischen Tech-Giganten wieder gut zu machen, gab er eine diplomatische, aber klare Antwort, dass es nichts bringe, in die Vergangenheit zu investieren und viel Geld Verlorenem nachzuwerfen, sondern besser sei, in die Zukunft zu blicken und zu überlegen, was die Kunden künftig brauchen könnten. Alle reden vom autonomen Fahren, vielleicht entwickeln wir etwas wie autonomes Bezahlen …

5. Konkretes Tun zählt – Strategie und Werte sind wichtig, aber zu wenig. Und die Zeit drängt gewaltig.

Man muss es leider so sagen, aber in diesen Diskussionen zu ESG etc. gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen den Bankern und Politikern einerseits und den Manager:innen aus der Industrie: letztere packen an und setzen Schritt für Schritt Dinge um, während erste noch über Grundsätze, Werte und mögliche Messverfahren dazu debattieren.

Mondi, Ikea, Mam baby und andere Unternehmen zeigten, wie sie mit konkreten Maßnahmen nicht alles verändern, aber doch deutliche Effekte erzielen. Und wie sie sich große, ambitionierte Ziele setzen, von denen sie noch nicht wissen, ob und wie man sie schaffen kann:

Ikea will ab 2030 nur mehr recyceltes Material verwenden und man wird demnächst anbieten, Möbel, die man nicht mehr braucht, an Ikea zurück verkaufen zu können. Mondi will den CO2 Abdruck um 60 % reduzieren usw. Große Ziele – um sie zu erreichen brauche es Kooperation über die gesamte Lieferkette und bis hin zum Kunden. Weil, so Michaela Reisenbichler der meiste CO2 Austausch entstehe beim Verwenden ihrer Produkte.

Es ist gut, wenn wir das Narrativ verändern und aus einem Bereich Abfallwirtschaft einen Bereich Kreislaufwirtschaft machen (Ministerin Gewessler). Aber wenn ich die Ausführungen zusammenfasse, dann braucht es jetzt…

  1. Eine große Idee, etwas was wir schaffen oder in die Welt bringen wollen, als starkes Warum
  2. Ein großes, forderndes, konkretes Ziel – ohne genau zu wissen, wie man es erreicht
  3. Viele kleine, konkrete Schritte – also einfach harte Arbeit…

 

Und irgendwie komme ich aus Alpbach mit etwas mehr Optimismus zurück, weil ich sehe, dass einige schon anpacken und viele das auch wollen.

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